Sonntag, 11. Juli 2010

Huayna Potosi - 6088m



Hallo zusammen

Oh man - Ich komm mir irgendwie schon vor als waere ich der Autor von "Neue Abenteuer mit Bernd und Tino" oder so... aber in den letzten Wochen jagt wirklich eins das andere... Der Hammer was man alles in so kurzer Zeit erleben kann!

Was gibts also neues?

Wir haben vor einigen Tagen beschlossen unter die Bergsteiger zu gehen und auf den Huayna Potosi zu klettern. Der Berg liegt nur wenige Minuten von La Paz entfernt, gehoert zur Cordillera Real, wurde 1919 zum ersten mal bestiegen (von einem Deutschen) und ist 6088m hoch.

Ungefaehr so erging es uns also die letzten Tage auf dem Weg zum Gipfel...
Wir haben unseren Trip extra so geplant dass wir Sonntag wieder zurueck sind um zu sehen wie Deutschland 4:0 im Finale gegen Holland gewinnt. Wollten eigentlich auch eine deutsche Fahne mit auf den Gipfel nehmen und sie dann oben hissen um den WM-Titel zu feiern. Leider kam dann alles anders. Schade schade... die Fahne ist also zu Hause geblieben.
Donnerstag morgen sind wir zum Ausruestungslager gefahren um uns Jacken, Thermohosen, Eisaxt, Steigeisen, warme Handschuhe, Klettergurt, Seile usw zu besorgen. Dort haben wir auch den Rest unserer Gruppe kennengelernt. Pierre aus Frankreich und Reto aus der Schwiitz. Von dort aus gings dann zusammen mit Feliziano, unserem Bergfuehrer, direkt zum Basislager. Schon das Basecamp liegt auf 4.500m Hoehe - und damit hoeher als fast alles was man in Europa findet. Zum Vergleich - die Zugspitze ist 2962m hoch, das Matterhorn 4478m und der hoechste Berg Europas, der Mont Blanc, 4810m. Im Basislager haben wir was gegessen und einen Plan fuer die naechsten Tage und den Aufstieg zum Gipfel gemacht. Danach sind wir ca. eine Stunde bis zum Gletscher gewandert wo wir unsere Ausruestung testen konnten. Das coolste am ersten Tag war das Klettern an einer ueberhaengenden Eiswand - als Vorbereitung auf das letzte Stueck auf dem Weg zum Gipfel, eine 150m lange steile Eiswand. Ausserdem wollte Feliziano sehen wie unsere Gruppe so drauf ist um einen passenden Plan fuer den Aufstieg zu machen. Tino und ich haben unsere Lektion nach Colca Canyon und Machu Picchu gelernt - wir haben ordendlich gegessen und sind frueh ins Bett um Energie fuer den Aufstieg zu haben. Unsere Gruppe hat sich anscheinend ganz gut angestellt da wir am naechsten Tag gut zwei Stunden spaeter als urspruenglich geplant losgewandert sind. Am zweiten Tag gings noch grossteils ueber Trampelpfade, Geroell und Felsen bis zum Berglager auf 5.300m. Obwohl der Weg nicht sonderlich anspruchsvoll war kamen wir alle maechtig ins Schnaufen... die Hoehe ist nicht ohne! Im Basislager sind am Morgen des zweiten Tages noch ein tschechisches Paerchen und ein Ami zu unserer Gruppe gestossen. Der Ami war ein erfahrener Bergsteiger, die Tschechen hingegen kamen ohne Erfahrung und vermittelten irgedwie den Eindruck als wollten sie "mal eben auf den Berg hochzuspazieren". Folglich hatten sie schon nach wenigen Minuten auf dem Weg zum Berglager Probleme. Der Berg gilt zwar als einer der "leichtesten 6000er" - was aber nicht bedeutet dass es leicht ist in zu besteigen... Die Bezeichnung kommt lediglich daher dass man im Allgemeinen den Aufstieg von La Paz aus beginnt das schon auf ca. 3600m Hoehe liegt. Aus diesem Grund ist der zu ueberwindende Hoehenunterschied vergleichsweise gering und die Akklimatisation einfacher - aber raufklettern muss man trotzdem. Und das letzte Stueck zum Gipfel ist ziemlich anspruchsvoll... wenn man ueberhaupt so weit kommt. Naja - gegen Nachmittag haben jedenfalls alle sieben potentiellen Gipfelstuermer in mehr oder weniger gutem Zustand das Berglager erreicht. Da haben wir Nudeln und Wuerstchen gegessen, Tee getrunken und versucht uns so gut wie moeglich zu erholen. Der Plan war, so frueh wie moeglich zu schlafen, da wir am kommenden morgen gegen 2 auftehen mussten um den Aufstieg zum Gipfel in Angriff zu nehmen. Weder Tino noch ich konnten mehr als eine Stunde oder so schlafen. Ob es an der Hoehe, der Kaelte oder der Enge lag weiss ich nicht. Jedenfalls war die Nacht im Berglager der fuer mich unangenehmste Teil des Trips. Hab irgendwann einfach beschlossen die Nacht in meinem Schlafsack "abzuwarten"... Uebernacht stiessen noch zwei weitere Guides zu uns, da es im Dunklen und am Gletscher zu gefaehrlich waere fuer sieben Leute mit nur einem Bergfuehrer. Ausserdem hatte Feliziano beschlossen dass die Tschechen um eins los sollten waehrend fuer den Rest 3 Uhr als Startzeit zum Gipfel geplant war. Die beiden sind also mit ihrem Guide um eins los - und soweit ich das von meinem Schlafsack aus beurteilen konnte gings ihnen schon vorm Aufbruch echt beschissen... Als es dann endlich zwei Uhr war sind wir aufgestanden - keiner hatte wirklich geschlafen - und haben unsere Ausruestung startklar gemacht. Waehrend Tino, Reto und ich bester Laune waren und uns auf den Gipfel freuten hat der Pierre die ganze Zeit nix gesagt. Irgendwie is er dann auch immer bleicher geworden - und hat letztenendes beschlossen dass er nicht mitkommen kann. Magenkraempfe, Kopfweh, Schwindel, Ohrensausen, Atemnot - Hoehenkrankheit - oder Soroche wie man hier sagt... da warens nur noch sech... Wir teilten die Gruppe in zwei Seilschaften auf, Brad(der Ami) &Reto - und Tino & Bernd. Die ersten Stunden gings mal steiler, mal flacher ueber Schnee und Eis richtung Gipfel. Ab und zu mussten wir Gletscherspalten ueberqueren und links und rechts waren tiefe Loecher voller riesiger Eiszapfen. Schon nach etwa zwei Stunden haben wir die Tschechen eingeholt, die gerade beschlossen hatten umzukehren... Soroche - und da warens nur noch vier. Wir beide fuehlten uns den Umstaenden entsprechend ganz gut und kamen auch gut voran. Kurz bevor wir die Eiswand erreichten holten wir eine Gruppe Slowenen ein, die wir am Gipfel wiedertreffen sollten. Ja... die Eiswand... Das war definitiv eine Grenzerfahrung! Zum Gipfel fuehrt entweder ein Weg am Grat entlang - oder eine 150m Eiswand... Der Feliziano hat uns gefragt welche Rute wir waehlen wollen... Eiswand!! Alter Schwede - im Dunklen, hoch oben in den Anden, mitten in der Eiswand! Axt ins Eis haun, Halt fuer die Steigeisen finden und Stueck fuer Stueck richtung Gipfel! Wenn einer von uns abgerutscht waere... dann... eigendlich will ich garnicht so genau drueber nachdenken. Es war nicht so steil dass wirklich ernsyhaft was passiert waere - aber lustig waers nicht gewesen. Ein "richtiger" europaeischer Bergfuhrer haette uns ziemlich sicher nicht so da hochklettern lassen! Der Reto hats so ungefaehr auf halbem Weg ziemlich gut auf den Punkt gebracht und zu uns rueber gerufen: "Ey Jungs - wenn meine Mutter wuesste was ich hier mach... mitten in der Eiswand und es fuehrt kein Weg zurueck!" Ja, ja - gut dass die Muetter immer erst von unseren Aktionen erfahren wenn alles vorbei ist und alles glimpflich ausgegangen ist!
Und dann... ja dann waren wir oben... unbeschreiblich! Ich versuch garnicht zu erzaehlen wies da oben war - das gelingt mir sowieso nicht... Bilder sagen mehr als tausend Worte.

Sonnenaufgang 6088m ueber dem Meer - das Leben hat doch immer wieder etwas zu bieten von dem man sich nie haette traeumen lassen dass man es mal erlebt! Unsere Fuesse waren Eisklumpen, die Finger waren - ohne Scheiss - kurz vorm Abfrieren, wir hatten die Nacht zuvor kein Auge zugetan, sind stundenlang im Dunklen durch Schnee und Eis gestapft, haben unter fragwuerdigen Sicherheitsbedingungen eine Eiswand erklommen... und am Gipfel konnten wir einfach nicht mehr aufhoeren zu grinsen... Adrenalin, Glueckshormone, was auch immer - Absoluter Overkill! Bergsteigen is schon irgendwie geil! Da steht man da oben, ueber den Wolken, ueber der Welt, schaut in die Ferne - und koennte fast heulen vor Glueck! A bissl masochistisch isses allerdings auch! Ganz ehrlich - a Spass is des net... da hochzuklettern! Aber - wie gesagt - ein unvergessliches Erlebniss!
Dazu war der Tino auch noch aus "rein wissenschaftlichen Gruenden" am Gipfel. Er wollte unbedingt ausprobieren ob Streichhoelzer auf 6088m funktionieren - und ob man da oben eine rauchen kann... Antwort: 2x Ja! Also es gibt ja schon nicht soooo viele Menschen die mal auf 6000m waren - aber welche die da oben eine geraucht haben gibts glaub ich fast keine... der Tino ist jetzt also Mitglied dieser illustren Gruppe!

Ist auch voll interessant wie so ein Erlebniss eine Gruppe in kuerzester Zeit zusammenschweissen kann. Am Gipfel haben sich alle beglueckwuenscht und umarmt -  als waere es das selbstverstaendlichste auf der Welt. Dabei kannten wir uns vor ein paar Stunden noch ueberhaupt nicht. Teambildung deluxe! Alle haben sich gegenseitig gratuliert und es herrschte ein Gefuehl von gegenseitigem Respekt fuer das erreichte. Irgendwie is man auch voll stolz drauf dass man es geschafft hat. Ich kann mir nur vorstellen wie man sich nach einer mehrere Wochen dauernden Bergtour fuehlen muss wenn man endlich an seinem Ziel ist... ...im Vergleich zu wirklich anspruchsvollen Bergtouren fuer Experten war unsere ja nur ein kleiner Fisch. Aber nichtsdestotrotz muss man da erstmal hoch... und zum Mount Everest fehlen ja nur noch 2760m ;-)

Wir hatten leider nur wenige Momente am Gipfel, da der Schnee dort oben weich wird sobald die Sonne rauskommt und damit die Lawinengefahr steigt. Dafuer war die kurze Zeit am Gipfel umso intensiver. Auf dem Weg zurueck zum Berglager hatten wir strahlenden Sonnenschein und konnten die bizarre Eislandschaft durch die wir in der Nacht gewandert sind endlich bei Tageslicht bestaunen. Nach einem kurzen Stop am Berglager um unsere uebrige Ausruestung zusammenzupacken und die Schuhe zu wechseln machten wir uns dann auf den Weg ins Tal. Dieser Teil der Wanderung war eher uncool - zum einen weil wir das alles schon gesehen hatten und zum anderen weil langsam aber sicher die Kraefte schwanden. Aber wer auf den Berg raufklettert der muss auch wieder runter!

Ja - und jetzt sind wir zurueck in La Paz, laden unsere Akkus auf, haben wieder ein bisschen was ueber uns selbst gelernt, sind wieder um eine unvergessliche Erfahrung reicher, freun uns darueber wie geil das Leben ist - und machen schon wieder Plaene was wir als naechstes anstellen!

Viele Gruesse - Bernd und Tino

 Auf dem Weg zum Basislager - der erste Blick auf den Gipfel

 Eisenhaltige Bergseen

Das Eisen faerbt das Wasser rot

 Am Fusse des Huayna Potosi

 Basislager

 Stausee am Basislager


 Gletscherzunge

 Unser "Uebungsgletscher"

 Eislandschaft

 Eisaxt: Check - Steigeisen: Check

 Hab ich heute auf Facebook gelesen und fands lustig: Tino "von Humboldt" Zorn auf dem Weg zur hochwissenschaftlichen Gipfelexpedition






 "Umhacken..."


 "Umhacken die 2te"

 Feliziano sichert das Seil an der Eiswand



 Tino im Michael Jordan Style in der Eiswand


 Erst mal nen Plan machen wie ich da hoch komm...

 ...fast oben...

 ...geschafft!

 Hang loose - mal ganz anders!




 Am Morgen des zweiten Tages - Tino, Pierre und Reto - den Blick aufs Ziel gerichtet

 Und auf gehts!

 Blick zurueck aufs Basislager


 An der Schneegrenze


 Ankunft Berglager

 Heisser Tee auf 5.300m

 The Crew - Man koennte meinen wir sind Hollaender!


 Tino halfway up


 Ab in die Koje

 Der Morgen des Aufstiegs - Trockenes Brot und gefrohrene Marmelade zum Fruehstuck


Seilschaft zum Gipfel


Eishoehle - zum Glueck hat unser Guide uns um die Loecher herumgefuehrt

Am Gipfel! Da hatten wir die Eiswand schon hinter uns... aus verstaendlichen Gruenden hatte ich da alle Haende voll zu tun und konnte keine Bilder machen...

Berg: 0 - Tino und Bernd: 1

 Geissler Gluecklich am Gipfel

Am Gipfel - Im Hintergrund rechts die Lichter von La Paz und links die slowenische Bergsteigergruppe


Streichholz auf 6088m - Check!

...wie cool kann ein einzelner Mensch eigentlich sein?!?

Sonnenaufgang auf 6088m


Ueber den Wolken!

Reinhold Messner is'n Scheiss gegen uns!


Der Abstieg - diesmal nicht die Eiswand sondern ueber den langen Weg entlang des Grats...

Nichts fuer Leute mit Hoehenangst!

Endloser Blick... bis zum Titikakasee!

Die Berge in der Umgebung wirken winzig vom Gipfel des Huayna Potosi

Und dann kommt die Sonne raus!




Eislandschaft auf dem langen Weg zurueck ins Tal


Und hier die Huayna Potosi - Gipfelcam brought to you by T&B!!




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